Der Fahrradfahrer ist ein armes Würstchen. Zwar hat er das Stadium des Fußgängers zumindest temporär bereits hinter sich gelassen, das Stadium des Autofahrers (höchste Evolutionsstufe im Straßenverkehr) aber noch nicht oder nicht vollständig erreicht. Somit befindet sich der Fahrradfahrer praktisch zwischen Baum und Borke. Der Radfahrer kann es niemandem recht machen. Den Autofahrern ist er grundsätzlich zu langsam – selbst, wenn er mit 35 in einer 30er Zone unterwegs ist. Dem Fußgänger ist er wiederum grundsätzlich zu schnell – selbst, wenn er Schrittgeschwindigkeit fährt und hinter den Fußgängern bleibt. Hier ist es wohl das “Ungetüm” aus Stahl, Alu oder Carbon, auf dem der Radler sitzt, dass die Fußgänger verängstigt.
Der Radfahrer muß sich den Verkehrsraum immer mit den anderen Gruppen teilen. Die sogenannten Radwege befinden sich zumeist entweder auf der Straße oder auf dem Gehweg – nur durch Linien von der jeweils anderen Verkehrsfläche abgegrenzt. Wirkliche Radwege befinden sich nur dort, wo eh niemand anderes lang fährt und selbst dort muß er sich diese Wege mit Skatern (Fußgänger mit Rollen an den Schuhen) oder Joggern (Fußgänger, die es sehr eilig haben) teilen.
Radfahrer verfügen oft über ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Selbst wenn man ihnen die Funktion einer Einbahnstraße erklärt und die Schilder dazu zeigt – 5 Minuten später fahren sie doch verkehrt durch. Nicht selten geht das einher mit Farbblindheit – nur so sind die vielen Rotlichtverstöße von Radfahrern zu erklären. Beides sind oft auch Gründe dafür, dass die Evolutionsstufe des Autofahrers noch nicht erreicht wurde. Andererseits verfügen Radfahrer auch über ganz besondere Fähigkeiten. Die Meisten von ihnen sehen im Dunkeln ausgezeichnet – deshalb verzichten sie am Rad auf jede Form von Beleuchtung. Damit leisten sie einen großen Beitrag gegen die Lichtverschmutzung.
Obwohl der Radfahrer einerseits die Autofahrer mit ihren spritschluckenden Vehikeln auf gewisse Weise verachtet, so wünscht er sich doch nicht selten selbst ein solches Fahrzeug – im Winter mit Heizung, im Sommer klimatisiert. Fahrradfahrer fahren oft nebeneinander. Psychologen halten dies für den unterschwelligen Wunsch nach einem Auto – schließlich wird so der Eindruck eines breiten Fahrzeuges mit 2 Achsen zu je 2 Rädern (zweispurig) erweckt. Der Fußgänger ist für den Radfahrer vor allem jemand, der stört. Entweder, die Fußgänger stehen sinnlos auf dem Radweg herum oder sie springen ihm unverhofft vor das Rad.
Noch ist nicht endgültig geklärt, ob der Radfahrer wirklich eine Zwischenstufe in der Evolution vom Fußgänger zu Autofaher ist. Es gibt Theorien, die besagen, dass sich hier ein eigener Evolutionszweig ausbildet. Als Beweis führt man an, dass bestimmte Verhaltensweisen, die man sowohl bei Fußgängern als auch bei Autofahrern antrifft, dem Radfahrer fast völlig fremd sind. So trifft sich der Radfahrer nur selten mit anderen Radfahrern – höchstens einmal im Jahr zum Sattelfest. Er ist viel lieber allein oder in kleinen Gruppen unterwegs. Der Radfahrer stellt sich auch nicht an der falschen Schlange an – weil er sich gar nicht anstellt. Vielmehr versucht er die Wendigkeit des Rades auszunutzen und schlängelt sich zwischen Fußgängern oder Autos durch – was ihm von Fußgängern bewundernde Rufe und von Autofahrern anfeuerndes Hupen einbringt.
Zweifellos können sowohl Fußgänger als auch Autofahrer dem Radfahrer gefährlich werden. Der größte Feind des Radfahrers ist aber die Reizzwecke, der Pappnagel oder gar ein simpler Dorn – denn nach Kontakt mit diesen wird er entweder zum Fußgänger oder zum Autofahrer – und welcher Radfahrer möchte das schon? …dann müßte man sich ja mit Radfahrern rumärgern.
Autofahrer und Fußgänger haben ganz andere Probleme.