Großes Thema der letzten Tage in einigen Blogs und Foren:
Unser Innenminister forderte ein Ende der Anonymität im Internet. Der Mann kennt sich wohl wirklich aus. Das ist so, als wolle man alle Sandkörner durchnummerieren, damit man das ansprechen kann, das im Schuh drückt. Die Diskussion in einigen Blogs und Foren (z.B. auf Spiegel online hier und hier, auch Kommentare bzw. dazugehöriges Forum beachten) war zu diesem Thema recht heftig, die Kommentare lustig und/oder zutreffend. Der Innenminister fügte ja als Begründung an, dass man mit offenem Visier auftreten solle. Einige Forenteilnehmer erklärten sich mit einem Ende ihrer Anonymität einverstanden, sowie die anonymen Parteispender auch aus ihrer Anonymität hervortreten. Als Politiker könnte und sollte man vielleicht auch mit offenem Visier für seine Nebeneinkünfte einstehen usw…
Paradox wird das ganze noch, wenn man bedenkt, dass es auch Empfehlungen der Politik sind, im Netz nicht seinen echten Namen anzugeben – zwar ist dieser Tipp für Kinder – aber warum soll ich in Foren, die ich wahrscheinlich nur 1mal wegen eines Problem nutze, meinen echten Namen angeben?
Bekommt man in der deutschen Politik Angst vor den “Internet-Auskennern”? Alles, was im Ausland gelobt und begrüßt wird (arabische Revolution, Blogger, die zur freien Meinungsäußerung aufrufen, Twitter-Nutzer, die sich zu Protesten verabreden) scheint im eigenen Land eher Unbehagen auszulösen. Man würde zu gern mehr und genauer wissen, was diese “Surfer” noch so alles treiben. Mit den immer neuen Versuchen, eine Vorratsdatenspeicherung zu installieren, will man diesem Ziel wohl näher kommen. Zur Begründung muß dann alles herhalten – ob Islamismus, Kinderpornografie oder das Attentat in Norwegen – sofort kommt jemand auf die Idee mit der Vorratsdatenspeicherung. Ist ein Reflex…
Genau so wie Attentat –> Islamisten. Und dann war es doch ein Einheimischer – ups… So ziemlich jeder in den Medien vorgeführte “Experte” lag da erst mal daneben.
Oder aber Amoklauf –> Killerspiele; bestimmt hat der Täter mal ein “Killerspiel” gespielt. Vielleicht war es aber auch nur Solitär? Mit großer Sicherheit hat er mal Suppe gegessen – also jetzt Löffel und Suppe verbieten? Ok, ich kenne mich mit PC-Spielen eh nicht aus, bin nie über Minesweeper und Solitär hinausgekommen. Dass sich Politiker und andere Experten auch nicht auskennen, wird auch in diesem kurzen Beitrag, vor allem in den Links klar. Auf jeden Fall wirkt ist es Politikern (und anderen) wohl suspect, wenn Bürger im Schutze der Anonymität ihre Meinung äußern oder sogar “Geheimnisse” verraten. Was ist daran neu? Es gab schon früher anonyme Leserbriefe, Geheimnisse wurden von Journalisten aufgedeckt (heute hat man den Eindruck, dass Zeitungen nur noch aus dem Internet kopieren). So wurde die Watergate-Affäre aufgedeckt, die Beteiligten später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Währenddessen sitzt Bradley Manning in den USA im Militärgefängnis, weil er Material über Verfehlungen der US-Militärs weitergab. Aber für das Militär gelten wohl überall gesonderte Regelungen… Wo ist aber die Grenze zwischen Aufdeckung von Missständen und Geheimnisverrat? War es richtig, den geplanten Panzerdeal mit Saudi-Arabien öffentlich zu machen? Begründet wurde das wohl damit, dass Saudi-Arabien “ein verlässlicher Partner” (sinngem.) sei. Würde mich sehr irren, wenn ähnliches “Politikersprech” nicht auch mal z.B. über Mubarak u.a. geäußert wurde….
Für die “Mächtigen” kann es natürlich Probleme geben. es läßt sich im Internet leichte recherchieren (es muß aber auch nicht alles wahr sein), Meldungen verbreiten sich sehr schnell, Meinungen und Kommentare dazu auch. Viel Freiwillige suchen schon (fast fanatisch) nach Verfehlungen anderer (z.B. Guttenplag, Vroniplag u.ä.), Geheimnisse und Missstände können anonym in Blogs, Foren oder Webseiten wie Wikileaks gemeldet und angeprangert werden. Für Politiker u.a. in verantwortlichen Positionen muß es doch früher viel ruhiger gewesen sein…
Wie auch immer: das Internet an sich ist nicht böse – weder für/zu Privatleuten noch zu Politikern oder Firmen. Es ist sozusagen eine techn. Einrichtung. Die Inhalte stammen von Menschen. Da gibt es ehrlich und nette – und andere, wie “im echten Leben”. Wer im Internet betrogen wurde, weil die Rolex für 100 € nicht ankam oder gefälscht war, der muß sich überlegen, ob er oder sie diese Uhr auch um die Ecke beim Straßenhändler oder auf dem Wochenmarkt gekauft hätte. Wer auf eine Email hereingefallen ist, in der ihm oder Ihr ein großes Erbe versprochen wurde, wenn man nur mal 300 € für die Formalitäten überweist, muß sich die Frage gefallen lassen, ob er auch jemandem 300€ gibt, der mit dieser Geschichte an der Haustür klingelt. Auch im Internet sollte man nicht erwarten, Artikel mit 99% Preisnachlass zu erhalten. Scheinbar wird das von einigen Nutzern immer noch geglaubt – auf der Straße wäre man wohl vorsichtiger.
Ja, man kann schlechte Erfahrungen machen, man kann betrogen werden, es gibt Ganoven und Halunken – ich “echten Leben” und im Internet. Es gibt keinen 100% Schutz, man muß vorsichtig sein – egal, wo.