Ganz so euphorisch, wie es die Überschrift vermuten läßt, bin ich denn doch nicht. Statt “auf zur Wahl” könnte es auch heißen “auf zur Qual”. Denn für mich stellt sich meist die Frage: wer ist das kleinere Übel? Die Slogans sind fast austauschbar. Würde man einfach nur die Sprüche auf eine Liste schreiben, käme man wohl kaum drauf,
welcher Slogan von welcher Partei ist. Sinngemäß haben die einen “Bock auf Brandenburg” (CDU) die anderen wollen “EIN Brandburg” (SPD). Andere wollen “Brandenburgs Zukunft neu gestalten” (Linke) oder überhaupt erstmal “Vollende die Wende” (AfD). Andere behaupten, “Brandenburg ist erneuerbar” (Grüne) oder “Brandenburg wächst mit seinen Menschen” (FDP). Die Freien Wähler halten sich zugute, dass “Straßenausbaubeiträge dank uns abgeschafft” wurden [sinngemäß]. Das sind nur einige der frei interpretierbaren Sprüche, die zur Zeit von den Wahlplakaten grüßen.
Was das alles konkret bedeutet – da müßte man das jeweilige Parteiprogramm lesen. Im folgenden Artikel vom Merkur aus München – ich habe mal extra eine Zeitung genommen, die ihren Sitz außerhalb Brandenburgs hat – wurden die Parteiprogramme der einzelnen Parteien verlinkt. Wie sich die Spitzenkandidaten der großen Parteien bei einer Fragerunde des RBB geschlagen haben, kann man dann nochmal hier beim RBB nachlesen bzw. ansehen.
Wie ist die Situation? Das wird jeder anders sehen, jeder hat andere Prioritäten. Unzufrieden ist der Mensch wohl immer – das ist wahrscheinlich nötig, damit es Fortschritt gibt. Man vergleiche einfach mal ein paar Fotos aus der (Vor-) Wendezeit mit dem jetzigen Zustand. Es gibt jetzt kaum noch verfallene Häuser, es gibt viele neue Straßen. Privat haben viele Familien ein Auto oder sogar zwei. Auch wenn das hier vielleicht eher eine Notwendigkeit als Luxus ist.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es dafür in Altlandsberg z.B. kein Kino mehr gibt (schon vor der Wende dicht), in abgelegenen Ortsteilen keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Und, dass Polikliniken jetzt Ärztehaus oder MVZ heißen. ;-) Da kann man traurig drüber sein oder wütend. Wer von den werten Lesern hätte denn den Mut (und das Kleingeld), ein Kino in Altlandsberg zu eröffnen? Oder einen kleinen Laden in Wegendorf, Seeberg oder Nord?
Es gibt Leute, denen es nicht gut geht. Die Gründe dafür mögen ebenso vielfältig wie verschieden sein. Persönliche Krisen, Verlust des Arbeitsplatzes, schlechte oder schlecht bezahlte Arbeit… Ich kann das weder beurteilen, noch bewerten. Hier liegt geradezu auf der Hand, dass man sich nach Besserung sehnt, dass “gemeckert” wird.
Wie schon geschrieben: unzufrieden ist der Mensch immer. Nicht wenige meiner Bekannten und Kollegen leben in einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung (längst nicht alle). Selbst wenn die Immobilie noch der Bank gehört: auch einen Kredit muss man sich leisten können. ;-) Es werden Kreuzfahrten unternommen, Urlaub am anderen Ende der Welt gemacht, man gönnt einen Wohnwagen, hat paar nicht ganz so preiswerte Räder im Keller, hat ein Boot oder ein Pferd oder andere Hobbys – um mal alle Klischees zu bedienen. Meinen Bekannten und mir geht es also richtig schlecht und wir haben allen Grund zu meckern – und tun es auch…. Es könnte uns ja so viel besser gehen. Aber hey, ich bin schon der Meinung, dass man sich immer am Besseren orientieren sollte…. Fortschritt und so…
In der Wendezeit sah das anders aus. Nicht wenige im Familien- oder Bekanntenkreis verloren ihren Job, wechselten in kurzen Abständen den Arbeitgeber, waren lange Zeit oder mehrfach arbeitslos. Seit dem hat sich in diesem Personenkreis aber doch so einiges getan – aber mehr geht natürlich immer. Oder haben wir (ich) Angst, dass es mal nicht mehr so gut läuft?
Die Kita könnte kostenlos sein (Asche aufs Haupt…), der Bus könnte länger und öfter fahren. Es könnte ruhig ein paar Ärzte mehr geben. Auch die Internetverbindung und Mobilfunkanbindung dürfte besser sein. Alles richtig, das eine oder andere habe ich hier im Blog ja mal angesprochen. Und die “erneuerte” Umgehungsstraße ist und bleibt so eine Katastrophe – ist aber immer noch besser, als keine Umgehungsstraße (wer erinnert sich noch?)
Wurde also nichts geschaffen? Es wurde so manches gemacht. Geht mehr? Aber sicher! Was zuerst? Besseres Internet? Sicher ein Standortvorteil, auch für Firmen. Bessere Straßen? Da fallen mir auch ein paar ein (Wegendorf – Wesendahl – Gielsdorf; Löhme – Börnicke) Kostenlose Kita? Aber gerne doch, wenn man der Meinung ist, dass Bildung kostenlos sein sollte und Kita zur Bildung gehört – dann sollte das wohl so sein. Besserer ÖPNV? Nur her damit. Mehr Rente? Klar, doch! Wer gewichtet jetzt? Und wer bezahlt das? Und (wie) kann eine Landesregierung die großen Firmen dazu bringen, z.B. “das Internet” hier auszubauen?
Ich will ja alles. 30 Mbit/s habe ich jetzt – aber mehr wäre sicher besser. Bessere Straßen -bitte, erst heute hat es mich zwischen Wesendahl und Gielsdorf fast “ausgehoben”. Ich war aber evtl. auch etwas schneller als erlaubt unterwegs. Für kostenlose Kita (da Bildung kostenlos sein sollte) bin ich auch. Auch für besseren ÖPNV. Allerdings würde ich den selbst wohl kaum nutzen und einen leeren Bus hin- und herfahren zu lassen, ist weder ökonomisch noch ökologisch. Was war aber zuerst? Zu wenig Kunden für den ÖPNV oder schlechte Verbindungen? Wenn der 944er Bus erst nach der S-Bahn-Abfahrt in Hoppegarten ankommt, nutzt er mir nicht viel. Falls die S5 überhaupt fährt.
Geht alles? Ich befürchte nein. Wenn nicht alles geht, was sollte zuerst gehen, was wäre am wichtigsten? Das, was ich will, was die Politiker wollen? Was die wollen, die am lautesten sind? Was die Mehrheit will?
In der öffentlichen Diskussion konmt es mir manchmal so vor, also würden wir schon kurz vor dem Weltuntergang stehen. Vielleicht klimatechnisch – aber so? Nein, ich will nicht die vergessen, denen es nicht gut geht, die von Hartz 4 leben müssen, Mini-Renten bekommen o.ä. Tatsache ist, dass davon niemand – soweit mir bekannt – im engeren Bekantenkreis vetreten ist und ich mir da auch nichts ausdenken will. Aber halt, so exakt ist diese Formulierung auch nicht. Bei den Familien oder “Pärchen” im Bekanntenkreis ist es so, dass all die o.g. Dinge zutreffen, auch wenn eine(r) der beiden oft weniger bekommt.
Wir (?) gehen ca. alle 2 Jahre zu einer Wahl (Bundes-, Landtags- oder Kommunalwahl) und machen unser Kreuz – da darf man schon so einiges erwarten. In Wirklichkeit bekommen die meisten von uns nicht den Hintern hoch, um selbst was zu unternehmen oder sich zu engagieren. Zwischen Arbeit, Urlaub, Handy, Computer, TV, Hobby ist auch kaum Zeit dafür. Dafür lästern wir gern über die, die das tun. Egal ob über die, die sich für Tierschutz engagieren, gegen Autobahnen oder für eine bessere Klimapolitik protestieren, oder für kostenlose Kitas, Radwege, gegen Windräder oder oder oder….
Andererseits: haben die Recht, die am lautetesten schreien oder erzeugen die einfach nur genügend Aufmerksamkeit für ihre Wünsche? Man muss gewiss nicht einer Meinung sein oder alles gut finden, man kann aber den persönlichen Einsatz respektieren. Egal ob den bei der Freiwilligen Feuerwehr (die auch dringend Leute sucht!) oder den bei Demos für oder gegen “irgendwas”.
Es gibt hier eine Unterschriftensammlung für eine Reform des Brandenburger Kitagesetzes und kostenlose Kita. Bisher haben noch nicht mal 6000 Personen unterschrieben – bei ca 180000 Kita-Plätzen in Brandenburg (lt. der Petition). Das ist ok, wenn einem das wirklich nicht interessiert. Wenn einem das aber interessiert bzw. wenn man dafür ist, dann sollte man unterschreiben. Andernfalls ist das Signal an die Politik: dieses Thema ist nicht so dringend, es gibt wichtigeres. Ich habe mich ja schon mal hier über ein ähnliches Thema ausgelassen. Aber auch bei vielen anderen Themen bekommt der gemeine Bürger (mich eingeschlossen) ja selten den Hintern von Sofa hoch.
Wer besucht schon öffentliche Sitzungen der Stadtverordneten? Ich nicht (mehr), trotzdem erwarte ich irgendwie, dass dort auch in meinem Sinne gehandelt wird. Vielleicht habe ich aber eine so kuriose Einstellung, dass das bedeuten würde, GEGEN die anderen x-tausend Bürger der Stadt/des Amtes zu stimmen? Hat irgendjemand gesagt, dass Politik oder Demokratie einfach ist?
Was ich hiermit sagen will? Vielleicht nur mal darauf hinweisen, dass die Welt (noch) nicht untergeht, dass andererseits manches komplizierter ist, als man denkt. Meine Meinung muss nicht mehrheitsfähig sein, was für mich am besten ist, muss nicht für die Mehrheit am Besten sein. Manchmal scheint eine Lösung einfach zu sein – aber sind einfache Antworten gute Antworten? Das hier sind nur meine unvollständigen, recht ungeordneten Gedanken. Man muss nicht meiner Meinung sein, man kann andere Argumente haben oder andere Prioritäten. Man kann darüber reden und sich austauschen.
Mit so einem Artikel kann ich mich wohl nur unbeliebt machen, mich in die Nesseln setzen. Ich habe jetzt tagelang immer mal wieder dran gesessen, gestrichen, zugefügt, umformuliert. Alle paar Minute fällt mir wieder ein, was ich anders schreiben könnte – so gesehen, würde ich nie fertig werden. Ganz zum Schluss habe ich überlegt, ob ich das wirklich veröffentlichen soll, ich werde es wohl getan haben, wenn das hier jemand liest…. ;-) Dabei ist dieses Thema wohl eigentlich zu groß für mich. Andererseits: auch ich darf mir doch wohl so meine kleinen, einfachen Gedanken manchen, mögen sie auch noch so unvollständig und unausgegoren sein. Muss ich das deshalb hier niederschreiben und veröffentlichen? Nö, es muss aber auch niemand lesen.
Die Parteien haben sich ja nochmal ins Zeug gelegt – zumindest den Flyern nach zu urteilen, die wir in den letzten Tagen im Briefkasten hatten. Dabei ist in userem Fall schon “alles” zu spät. “Auf zur Wahl” ist für uns schon Vergangenheit. Mit Erhalt der Wahlbenachrichtigungen haben wir sofort Briefwahl beantragt. Die Briefwahlunterlagen kamen kurz danach an und sind schon seit Tagen (oder Wochen?) ausgefüllt und abgeschickt. So gesehen haben alle Parteien den gleichen Fehler gemacht: zu wenig auf die Briefwähler geachtete… Für alle anderen: auf zur Wahl, wer weiter meckern will, sollte wenigsten alle paar Jahre mal sein Kreuzchen machen.